Auf den Erfahrungen der Vergangenheit

Die neuesten Arbeiten von Muradif Cerimagic bündeln den Blick des Betrachters in seiner bildnerische Aktualität: er reanimiert sozusagen Vergangenes durch Neues und liefert für diese, seine Absicht auch gleich mehrere Belege. Gleichzeitig muß man wissen, daß der Autor seinem bildnerischen Schreibstil folgt, den wir schon von früher aus seiner Malerei, seinen Zeichnungen und Grafiken kennen.

 

Die heutige bildende Kunst ist vor allem gekennzeichnet durch die Suche nach Neuem, aber auch durch das Dilemma, Fragen in Bezug auf die Vergangenheit im voraus stellen zu müssen.

 

Meistens versucht der moderne Künstler, sich von den angesammelten Erfahrungen und Rückblicken zu befreien, um sich von der Verantwortung gegenüber historischen Phänomenen zu entlasten. Einigen Künstlern gelingt es mit der Kraft ihrer künstlerischen Imagination, das Alte und das Neue auf ihrem Weg durch die Gegenwart zu verbinden. Die Vergangenheit drängt sich immer als eine Art Pflicht auf, auf die nicht nur die Maler des 20. Jahrhunderts verschiedenartig reagieren, sondern auch Schriftsteller, Romanschreiber, Komponisten, Wissenschaftler. Offensichtlich ist, daß die Vergangenheit unfehlbar ist, denn mit ihr müssen wir leben: sie ist unsere Erinnerung.

 

Die Rückkehr zur Vergangenheit, zu etwas, was schon geschehen ist, die wiederkehrenden Symbole, die Erinnerungen an sogenannte “Ewige Inhalte”, das ist das Wesentliche in den neuesten künstlerischen Überlegungen von Muradif Cerimagic.

 

Wenn Vergangenheit in der Zukunft im Rahmen eines künstlerischen Werkes wirkt, dann ist jener Prozeß bei diesem Autor voll ausgereift, und er präsentiert sich mit ganz individueller Handschrift, was ihm eine völlig neue Qualität gegeben hat. Wie wir schon festgestellt haben: Cerimagics künstlerische Handschrift bleibt konsequent und die Rückkehr in die Vergangenheit bedeutet nicht Kopieren sondern Erschaffen eines neuen Werkes, das auf den Erfahrungen der Erinnerung aufbaut.

 

Jede Arbeit dieses Künstlers ist als ein mögliches Modell im Zusammenhang mit Überlegungen zu bildender Kunst unter Einbeziehung des Global-Universellen zu verstehen, und der Autor setzt seine Erkenntnisse mit Technik, Komposition und Inhalt sehr erfolgreich um.

 

In der Anfangsidee möchte dieser Künstler sich dem Ablauf der Zeit widersetzen. Seine Arbeiten entsprechen in jedem Fall dem Maß der Modernen – sind Quelle und Zugang zugleich.

 

Die Verbindung der Vergangenheit mit der Gegenwart ist lesbar und wiederkennbar in den verwendeten Symbole - Zeichen der Neugier von Cerimagic. In der Gesamtwirkung fehlt weder das Wesen noch die persönliche Sensibilität dieses Künstlers. Der logische reife Kontakt ist wieder hergestellt, der sich auf frühere Arbeiten stützt, als Tatsache, Basis, Stimulator oder Zitat.

 

Der Autor beweist in seiner Arbeit, daß sein künstlerischer Reifungsprozeß fortgeschritten ist und daß er in der Lage ist, immer wieder etwas Neues anzubieten. In einigen Arbeiten können wir Symbole seiner Heimat wiedererkennen - unausweichlich ist sein Reagieren auf die vergangenen Kriegsgeschehen in diesem Gebiet.

 

Aber assoziative, symbolische oder ganz konkrete Details haben die Funktion, daß man mit der Analyse des einzelnen die Synthese des Allgemeinen bekommt. In einem so zusammgesetzten künstlerischen Zugang gibt es ästhetische und intellektuelle Fallen, denen Cerimagic jedoch geschickt ausgewichen ist; er hat seine Arbeit gleichsam befreit.

 

Die Arbeiten von Muradif Cerimagic bieten eine hohe künstlerische Qualität und ermöglichen immer die Interpretation auf die individuelle Art des Betrachters.

 

Branka Perisic

Antwerpen, Juni 1998